Rettet die Grünflächen

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Zusammenfassung Moderations-Verfahren

18.03.2011

Auszüge aus:
Zusammenfassung Moderations-Verfahren "Grüne Harfe"
Von Michael Happe, Moderator BKR Essen

Konsens und Dissens
Die sehr sachbezogenen Diskussionen am Runden Tisch haben in vielen Fragen ein hohes
Maß an einvernehmlichen Bewertungen der angesprochenen Sachverhalte deutlich
gemacht. So lassen auch die Vertreter der Bürgerinitiative erkennen, dass ihre bisherige
Ablehnung einer Bebauung an der Grünen Harfe weniger auf herausragende ökologische
Qualitäten der Fläche zurückzuführen war als vielmehr auf die Sorge, dass mit insgesamt ca.
380 neuen Wohnhäusern in Werden/Heidhausen eine zusätzliche Verkehrsbelastung
erzeugt wird, die zu einem Verkehrskollaps im Zentrum, zu unzumutbaren Luft- und
Lärmimmissionen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen könnte. Der Ernst dieser
bereits heute bestehenden Verkehrs- und Immissionssituation im Ortskern – unabhängig von
einer Bebauung der Grünen Harfe - wurde von allen Teilnehmern des Runden Tisches
erkannt. Der Eigentümer der Grünen Harfe ist nicht für diese Situation verantwortlich,
vielmehr bestehen die Verkehrs- und Immissionsprobleme in Werden bereits seit langem,
ohne dass bisher umsetzbare Lösungen zu dem Verkehrsdilemma gefunden wurden. Es war
am Runden Tisch jedoch ein Einvernehmen erkennbar, dass zur Verkehrs- und Immissionssituation
im Werdener Ortskern ein akuter Handlungsdruck besteht; zusätzliche Verkehre
durch Neubauprojekte werden nur dann verantwortbar sein, wenn es gelingt, die
Auswirkungen auf ein zumutbares Maß zu reduzieren und verbindliche Grenzwerte
einzuhalten.

Ein Dissens besteht offenkundig in der Frage des Wohnungsbedarfs in Werden/
Fischlaken/Heidhausen. Das dem RFNP zugrunde liegende Gutachten prognostiziert einen
Bedarf von 603 neuen Eigenheimen bis 2020 im Bezirk IX, dies entspricht etwa 400 EFH
oder etwa 30 EFH pro Jahr im Werdener Teilraum. Dies wird von der Bürgerinitiative
angezweifelt; aus dem Bestand kämen in Werden/Fischlaken/ Heidhausen bereits 70 Häuser
pro Jahr auf den Markt, laut Grundstücksmarktbericht 2010 wurden davon jährlich etwa 30
Einfamilienhäuser verkauft. Angesichts von 700 Bestandsangeboten und 300 aktuellen
Neubauprojekten sei der Markt für die nächsten 10 Jahre bereits angemessen bedient, die
Bebauung der Grünen Harfe werde nicht benötigt.

Dieser Dissens konnte in den Diskussionen am Runden Tisch nicht aufgelöst werden. Eine
mögliche Lösung in dieser Frage könnte sich aus einem neuen Gutachten eines unabhängigen
Dritten ergeben, wenn die Marktsituation in Werden/Heidhausen eingehend
analysiert und der Neubaubedarf bzw. die Nachfrage hinsichtlich Art, Umfang und
Zielgruppen (Milieus) zeitnah prognostiziert würde; dazu hat sich der Eigentümer bereit
erklärt.

Zur Frage, mit welchen Ziel-/Eckwerten einer Bebauung der Grünen Harfe zugestimmt
werden kann, bestehen erhebliche Meinungsunterschiede am Runden Tisch. Während der
Eigentümer einen Flächenanteil von 30% für Grünflächen zugesteht, strebt die
Bürgerinitiative einen hälftigen Flächenanteil an. Bei der Zahl der Wohnungen in dem
Neubaugebiet hat der Eigentümer frühere Zielvorstellungen (> 200 WE) bereits reduziert und
geht von 140 WE aus. Die Bürgerinitiative geht nicht mehr von einer Nichtbebauung aus,
sondern könnte nun eine hälftige Zielzahl von 70 WE akzeptieren. Doch bei der Frage nach
einem Kompromiss bleibt der Akzeptanzkorridor beider Seiten noch weit geöffnet, zwischen
70-80 bzw. 100-120 WE.

Wie mit Dissens umgehen?
Eine Möglichkeit des Umgangs mit diesem Dissens könnte darin bestehen, im
Bebauungsplanverfahren verschiedene Planungsvarianten auf Basis dieser Eckwerte zu
entwerfen, zu diskutieren und darüber zu entscheiden – dies lehnt die Bürgerinitiative jedoch
ab, sie will einen Eckwert festgelegt sehen, bevor ein Bauleitplanverfahren eröffnet wird. Ein
Kompromiss, dem beide Seiten bedenkenlos zustimmen könnten, hat sich bisher im
Verfahren nicht herausgeschält. Der Moderator könnte in dieser Situation einen
Vermittlungsvorschlag unterbreiten, der viel Freiraum erhält und die Verkehrserzeugung
begrenzt; die Gesamtzahl von Wohnungen könnte sich am unteren Rand des
Eigentümervorschlags orientieren, dabei könnte jedoch die Zahl der Einfamilienhäuser auf
das Akzeptanzniveau der Bürgerinitiative begrenzt werden.

Ein solcher Vermittlungsvorschlag könnte also lauten:

  • Über 40 % des Gebiets bleibt Grünfläche
  • Max. 70-80 Einfamilienhäuser im Baugebiet
  • Max. 5 Stadtvillen je ca. 5 WE, dabei auch seniorengerechtes Wohnen.


Ein weiterer Meinungsunterschied besteht zur zeitlichen Abfolge von Planungen und
Maßnahmen: Während der Eigentümer wie auch die Verwaltung auf einer kurzfristigen
Einleitung des Bauleitplanverfahrens bestehen und eine planungsbegleitende Umsetzung
verkehrs- und umweltrelevanter Maßnahmen favorisieren, ist v.a. für die Bürgerinitiative nur
dann ein Beginn der Planung an der Grünen Harfe denkbar, wenn die Umsetzung der
verkehrlichen Entlastungsmaßnahmen begonnen hat bzw. die weitere Durchführung und
deren Wirksamkeit gesichert ist.
Weitere unterschiedliche Sichtweisen der Beteiligten wurden insbesondere bei der Problemwahrnehmung deutlich: Während sich der Eigentümer der Fläche nicht für bestehende
Verkehrsprobleme in Werden außerhalb seiner Fläche zuständig fühlt, verweist die
Bürgerinitiative auf die Zusammenhänge zwischen Fläche und Ortskern, zwischen
bestehendem und geplantem Verkehr. Auch konzentriert sich das Denken der städtischen
Planer auf den Schwerpunkt einer Befriedigung des Neubaubedarfs durch Bauleitplanung,
während die Bürgerinitiative auch sonstige Bauvorhaben (nach § 34 BauGB) und das
Marktgeschehen im Bestand in ihre Beurteilung einbezieht. Schließlich argumentieren einige
Teilnehmer mit dem Ziel, durch Wohnungsneubau einige der 113.000 Berufseinpendler nach
Essen zu holen und damit im regionalen Maßstab weniger Verkehr zu erzeugen, während
andere vorwiegend den örtlichen Verkehr und seine Wirkungen betrachten. Solche
verschiedenen Sichtweisen können zu unterschiedlichen Bewertungen führen, die eine
Moderation nicht auflösen kann.

Die Diskussionen am Runden Tisch, aber auch die Gespräche mit einzelnen Akteuren haben
trotz aller Meinungsunterschiede zu dem Eindruck geführt, dass die Chance zu einem
Interessenausgleich durchaus besteht.
• Der Eigentümer erscheint bereit, eine größere Teilfläche als Grünfläche zu erhalten
und eine aufgelockerte Bebauung, wie vom Klimatologen empfohlen, zu akzeptieren.
Auch bei einer geringeren Zahl von Wohneinheiten ist nicht zu erwarten, dass sich
das ökonomische Ergebnis unzumutbar verändert.
Der Eigentümer geht zudem von einem Planungsvorlauf von 1-2 Jahren und einem Realisierungszeitraum von 6-8 Jahren aus, also fast einem Jahrzehnt Umsetzung, das zeitliche Spielräume für begleitende Maßnahmen eröffnet.
• Die Vertreter der Bürgerinitiative argumentieren nicht grundsätzlich gegen jede
Bebauung an der Grünen Harfe, sondern gegen eine verdichtete Siedlung mit vielen
Häusern. Ihre Akzeptanz erscheint erreichbar, wenn ein nachhaltiges Gesamtkonzept
verfolgt wird, die bisherigen Eckwerte einer Bebauung an der Grünen Harfe deutlich
reduziert werden, die Siedlung aufgelockert, ökologisch und qualitätsvoll gestaltet
wird und eine verantwortbare Verkehrslösung spürbare Verbesserungen in Werden
bewirkt. Bei einer Bebauung der Grünen Harfe müsse allerdings ein weiterer
Landschaftsverbrauch im Heidhauser Umfeld ausgeschlossen werden.
• Die Planungsverwaltung erwartet im Wesentlichen eine weitgehende Umsetzung des
RFNP.
• Andere Teilnehmer des Runden Tisches ließen erkennen, dass eine Zustimmung für
die Eröffnung des Bauleitplanverfahrens nur gegeben werden kann, wenn für die
Werdener Bürger eine Verbesserung der Verkehrs- und Immissionsproblematik
insbesondere im Ortskern erreicht werden kann.

 Empfehlungen
Die folgenden Empfehlungen streben auf der Basis der Erörterungen eine win-win-Lösung
für die Beteiligten an – in aller Kenntnis, dass eine vollständige Zielerreichung für alle Seiten
sich als nicht möglich erwiesen hat.
1. Bereits heute ist die Verkehrssituation insbesondere auf der B 224 im Werdener
Ortskern sowie an der Einmündung des Klemensborn in den Werdener Markt an der
Grenze der Leistungsfähigkeit. Ohne Verbesserungen am bestehenden Verkehrsnetz
und seinen Lärmimmissionen, die insbesondere den Ortskern entlasten, ist eine
erhebliche Erhöhung der Verkehrsbelastungen nicht zu vertreten. Zur Verbesserung
der heutigen Situation müssen ein Verkehrskonzept für Werden erstellt und
Beschlüsse zu verkehrlichen Verbesserungsmaßnahmen gefasst werden. Wenn ein
Bebauungsplan in Kraft tritt, sollen die Verkehrs- und Immissionsschutzmaßnahmen
möglichst bereits greifen, mindestens müssen jedoch Verpflichtungen für solche
Maßnahmen bestehen.
2. Bereits heute zählen die – vorwiegend verkehrsbedingten - Luftbelastungen von
NO2 und PM10 in der Brückstraße zu den höchsten in Essen, sie liegen um 20-25%
über den zulässigen Immissionswerten. Diese Luftbelastungen sind durch
Maßnahmen der Luftreinhaltung und der Verkehrslenkung (z.B. erweiterte
Umweltzone) wieder in den zulässigen Toleranzbereich zurückzuführen, bevor
zusätzliche Immissionen verantwortbar werden. Dazu ist nachzuweisen, dass die
zulässigen Immissionswerte in Werden eingehalten werden. In dem eingeleiteten
Bebauungsplanverfahren ist der Nachweis zu führen, dass die zusätzlichen Verkehre
nicht zu unzumutbaren Belastungen führen.
3. Unter diesen genannten Voraussetzungen erscheint es verantwortbar, ein
Bebauungsplanverfahren zur Grünen Harfe einzuleiten. Dabei müssen alle Belange
zu einem nachhaltig tragfähigem Gesamtkonzept in Einklang gebracht werden.
Insbesondere sind dabei die unter 5. genannten Zielsetzungen eines aufgelockerten,
grünen Wohngebiets an der Grünen Harfe und die unter 4. genannten Maßnahmen
zur stadtverträglichen Verkehrslösung umzusetzen.
4. Es sind folgende Maßnahmen zu einer stadtverträglichen Verkehrslösung, die sich
am Ziel einer Verkehrsentlastung von etwa 25 % im Ortskern orientiert, zu prüfen, zu
qualifizieren und umzusetzen:
• Mit Pförtnerampeln in Heidhausen und am Bredeneyer Berg soll der
Durchgangsverkehr auf der B224 auf ein bewältigbares Maß begrenzt werden.
• Die Erweiterung der Umweltzone Ruhr soll innerhalb von 2-3 Jahren die
Verbreitung schadstoffarmer Nutzfahrzeuge beschleunigen und die
Schadstoffbelastungen spürbar reduzieren; ergänzende Maßnahmen wie
temporäre Lkw-Verbote sind zu prüfen.
• Zur Reduzierung der hohen Lärmbelastungen an der B224 sind Maßnahmen zur
Lärmminderung wie lärmarmer Asphalt, Geschwindigkeitsoptimierungen und
passive Lärmschutzmaßnahmen zu prüfen und bei Eignung umzusetzen.
• Die Einführung eines Bürgerbusses kann ein bedarfsgerechtes, zusätzliches
Mobilitätsangebot darstellen, die Wohnviertel mit dem Zentrum zu verbinden. Alle
Beteiligten unterstützen die Gründung und die Arbeit eines ehrenamtlichen
Bürgerbusvereins, als Ausdruck der Selbstverantwortung der Werdener
Bürgerschaft für die Verkehrserzeugung und mit dem Ziel einer Verbesserung des
Nahverkehrsangebots.
• Die bereits im Nahverkehrsplan vorgeschlagenen Optimierungen des örtlichen
ÖPNV-Angebots sind beschleunigt umzusetzen (Busbeschleunigung Linie 169,

Busspur Heidhauser Straße, Neuordnung des Busnetzes, Prüfung eines
Ortsbussystems).
• Es wird kurzfristig ein Verkehrskonzept zum Werdener Ortskern erstellt und mit
der Bürgerschaft diskutiert, um geeignete Maßnahmen umzusetzen, das
Straßennetz im Ortskern zu optimieren – nicht im Sinne von mehr, sondern von
stadtverträglichem Verkehr.
5. Eine Bebauung der Grünen Harfe soll von folgenden Eckpunkten ausgehen:
• Die Bebauung orientiert sich am Leitbild eines aufgelockerten, grünen
Wohngebiets: Der Versiegelungsgrad auf der Gesamtfläche sollte 30 % nicht
überschreiten.
• Über 40 % der Gesamtfläche sollte eine zusammenhängende Grünfläche werden,
um die Aspekte von Orts- und Landschaftsbild, Erholung und Ökologie
angemessen zu berücksichtigen. Dabei können in der Grünfläche auch Wege,
Ausgleichsmaßnahmen, Regenbewirtschaftungsmaßnahmen etc. realisiert
werden.
• Die Zahl der Wohneinheiten wird auf etwa 100 begrenzt, davon max. 70-80
Einfamilienhäuser und max. 5 Stadtvillen mit je ca. 5 WE. Auf mindestens 80 %
der Baufläche sind individuelle Einzel- und Doppelhäuser vorzusehen, auf der
Restfläche können Stadtvillen auch mit seniorengerechten Wohnungen
(Mehrgenerationenwohnen) errichtet werden. Die Baukörper sollten eine
Gebäudehöhe von max. 12 m einhalten.
• In der Planung sind insbesondere die Belange der Nachbarn, die wertvolleren
Gehölze an der Barkhovenallee, die Quellbereiche und die Sichtachse vom
Denkmal nach Norden zu beachten.
• Zur Sicherung einer hohen Umweltqualität und klimagerechten Baukultur sollen
die Gebäude die Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) um
mindestens 10 % unterschreiten, und es soll, wenn technisch möglich, ein
ökologisches Regenwassermanagement erfolgen. Die verkehrlichen
Auswirkungen werden untersucht und aufgezeigt und alle ökologischen und
Gestaltungsaspekte in einem Grünordnungsplan konkretisiert.
• Es soll ein individuelles Bauen innerhalb eines festzulegenden Gestaltungsrahmens
ermöglicht werden, Bauträgermaßnahmen sind nur in einem
untergeordneten Umfang zuzulassen.
• Ferner regt die Bürgerinitiative eine Beschlussfassung an, zur Begrenzung des
Landschaftsverbrauchs auf weitere Flächenentwicklungen im Heidhauser
Landschaftsraum, insbesondere südlich der Barkhovenallee, zu verzichten.
6. Zeitliches Ziel ist es, die Einleitung des Bauleitplanverfahrens sowie die Planung und
Umsetzung erster Maßnahmen für eine stadtverträgliche Verkehrslösung möglichst
kurzfristig in Angriff zu nehmen. Mit dem Ende der Kanalbauarbeiten 2012/2013 in
Werden sollen sukzessive die weiteren Maßnahmen der Ortskernentlastung umgesetzt
werden. Bis zur Rechtskraft des Bebauungsplans sollen auch die Maßnahmen der
Umweltzone und des Nahverkehrsplans greifen, ferner sollten dann auch Bürgerbusse
fahren. Zu diesem Zweck wird bis 2013 eine Evaluation der Maßnahmen und der
erzielten Effekte durchgeführt, die Ergebnisse werden dem Rat berichtet.
Sollten bis 2013 wesentliche Zielsetzungen der Gesamtlösung nicht erreicht werden, wird
dem Rat empfohlen, vor einem Satzungsbeschluss des Bebauungsplans Situation und
Ziele der Stadtentwicklung im Raum Werden neu zu bewerten.
Büro für Kommunal- und Regionalplanung Essen .. Werdener Markt 2 .. 45239 Essen
Tel.: 0201 / 491573.. Fax: 0201 / 494117.. E-Mail: info@bkr-essen.de .. www.bkr-essen.de


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